Kämpfe verbinden

Die Klimastreikbewegung kann nicht nur alleine kämpfen

Sollen wir gemeinsam mit anderen unseren Kampf führen? Sollen wir uns als Bewegung zu Themen äussern, die vielleicht nicht direkt mit der Klimakrise verknüpft sind? – Diese Fragen müssen wir uns immer wieder stellen. Ein Plädoyer für Konvergenzen und Solidarität

Das Jahr 2019 stellt bezüglich sozialer Bewegungen bereits jetzt ein für die Schweiz aussergewöhnliches Jahr dar. Die Klimastreikbewegung zeigte sich durch ihre zahlreichen Mobilisierungen, Intensität an Aktionen und ihrer erreichten Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum als die wohl grösste Jugendbewegung der schweizer Geschichte. Die koordinierten Demonstrationen erreichten Teilnehmer*innenzahlen, die für viele als in der Schweiz nicht machbar gehalten wurden. 

Ungewöhnlich für den Schweizer Kontext ist jedoch vor allem, dass die Klimastreiks nicht die einzigen Mobilisierungen mit historischer Bedeutung sind. Am 14. Juni protestierten über eine halbe Million Frauen* gegen Diskriminierung! Für den Frauen*streik organisierten sich in zahlreichen Regionen Kollektive und Subgruppen. Rund um diese beiden Mobilisierungen wurden zahlreiche hauptsächlich junge Leute politisiert und politisch organisiert. Diese «neue Generation» von Aktivist*innen trifft jedoch auf eine politische Landschaft, die geprägt ist durch Jahrzehnte neoliberaler Politik des Sozialabbaus und einem erstarkten rechtskonservativen Lager in der Schweiz, aber auch weltweit. Gleichzeitig agieren wir in einem Land ohne grosse Tradition von erfolgreichen sozialen Bewegungen. Die Bedingungen für politische Vorstösse, die in verschiedenen Bereichen die gegenwärtige Herrschaft stören, sind insofern nur sehr bedingt erfolgsversprechend. Umso wichtiger ist es, sich in diesem Kontext nicht zu isolieren, sondern Verknüpfungen zu suchen und sich zu stärken.

Da diese Klima- und Frauen*streikbewegung derzeit am stärksten präsentieren, scheint es zielführend, wenn wir also über die Verbindung von Kämpfen diskutieren, sich bezüglich der Schweizer Situation primär auf die Klimastreiks und den Frauen*streik zu konzentrieren. Gerade im Vorfeld des Frauen*streiks wurde in verschiedenen Klimastreikgruppen teilweise heftig darüber diskutiert, wie und ob sich die Klimastreikbewegung zum Frauen*streik positionieren soll.

Wieso gemeinsam kämpfen?

Wieso soll überhaupt versucht werden, verschiedene soziale Bewegungen mit verschiedenen Forderungen zu verknüpfen? In beiden Bewegungen ist die Meinung präsent, dass am meisten erreicht werden kann, wenn sich die Bewegung auf themenspezifische, meist moderate, möglichst einfach umsetzbare Forderungen fokussiert und sich zu anderen Themen gar nicht äussert. Dies würde die politische Schlagkraft der Bewegung schwächen, da weiterreichende Forderungen mögliche Gegner*innen schaffen würden. Dies mag stimmen, wenn die Bewegung auf Lobbyarbeit in den bürgerlichen Parlamenten und Regierungen, statt auf die eigene Stärke bezüglich gesellschaftlicher Mobilisierung, setzen würde. Soziale Kämpfe zu verknüpfen ergibt aus folgenden Gründen Sinn: 1. Die gesellschaftlichen Missstände, die soziale Bewegungen notwendig machen, sind miteinander verknüpft. 2. Deshalb haben verschiedene soziale Bewegungen gemeinsame Interessen, Aktivist*innen und Gegner*innen. 3. Stärken sich die sozialen Bewegungen gegenseitig.

Ökofeminismus

Die Verknüpfung von Umweltzerstörung und der Unterdrückung von Frauen wird spätestens seit den 1980er Jahren häufig unter dem Begriff des «Ökofeminismus», in wechselnder Ausführlichkeit diskutiert. Dabei existieren verschiedene, teils widersprüchliche, Ansätze. Zentral scheint mir dabei jedoch folgender Aspekt: Beide Bereiche sind mit einer Krise der Reproduktion des Lebens (und der Arbeitskraft) konfrontiert. Der Klimawandel zerstört die natürlichen Grundlagen unseres Lebens. In der patriarchalen Gesellschaft leisten Frauen den grössten Teil der unbezahlten Reproduktionsarbeit und werden dadurch “zerstört”.[1] Diese Arbeit wird, ähnlich wie die Natur, als kostenlose Grundbedingung für die kapitalistische Produktion erachtet. 

In dieser Rolle als Versorger*innen und Sorger*innen sind die Auswirkungen des Klimawandels besonders bemerkbar für viele Frauen*. In der Kindererziehung, der Pflege, Essenszubereitung und der Hausarbeit sind die Folgen von Umweltzerstörung und -vergiftung am direktesten spürbar. In den Ländern des Südens produzieren Frauen* zudem 80% der Nahrungsmittel. Es erstaunt deshalb kaum, dass vor allem im globalen Süden in den vergangenen Jahrzehnten mehrheitlich Frauen* ökologische Bewegungen anführten.

Die Klima- und die feministische Bewegung stellen beide die grundsätzliche Frage, wie die Produktion und Reproduktion des Lebens organisiert werden soll. Es lassen sich gemeinsame Ansätze entwickeln. Durch die Klimakrise müssen wir uns nicht nur fragen, was in welchem Ausmass weiterhin produziert werden soll, sondern auch, wer für wen was produziert, und wer die für die Reproduktion, der für die Produktion benötigte Arbeitskraft, notwendigen Tätigkeiten ausübt, und wie diese Tätigkeiten verteilt sind.

Gleiche Gegner

Es erstaunt deshalb auch kaum, dass Angriffe auf die Bewegungen aus den gleichen Reihen kommen. Es sind Rechte, Konservative und (Wirtschafts-)Liberale, die die Forderungen der beiden Bewegungen bekämpfen. Beide Bewegungen bekommen in regelmässigen Abständen die staatliche Repression zu spüren. Gerade hier gibt es relativ einfache Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, die auch schon genutzt werden. Ein schönes Beispiel: Nach der Festnahme von über 60 Aktivist*innen in Zürich bei einer Aktion vor der Credit Suisse waren Aktivist*innen aus dem Frauen*streikkollektiv unter den ersten, die sich an den Solidaritätsaktionen beteiligten und Transparente malten. Solche Solidaritätsbekundungen sind erste wichtige Schritte. 

Unerwähnt will ich auch nicht lassen, dass es weitere gegenseitige Unterstützung gibt. So formierte sich an zahlreichen Klimastreiks ein Frauen*streikblock, und an Frauen*streikdemos entstanden Klimablocks.

Perspektiven – konkrete Verknüpfungen

Auf dieser sehr einfachen Ebene der gegenseitigen Solidarität lassen sich die beiden Bewegungen stärken. Eine weiterführende Verknüpfung muss jedoch auch die Ebene der Inhalte und Forderungen erreichen. Dazu müssen gemeinsame Diskussionen stattfinden, aber auch gemeinsame Aktivitäten geplant werden. Eine Möglichkeit wäre hier der “Klima-Generalstreik”. Dort, aber auch sonst, sind falsche Ängste vor einer «Verwässerung» der eigenen Forderungen gefährlich, denn sie führen zur Isolation. Dies ist ein Fehler, den sich die Klimabewegung nicht leisten kann. 

Cedric Stucki

Schreiben Sie einen Kommentar